Brot und Schokoladenspiele

Die Tafelpost-Ausgabe „Brot und Schokoladenspiele“ hat sich der Bedeutung von Schokoladen in Bäckereien und Patisserien gewidmet und führte Schokoladentafeln vor, in denen Backwaren als geschmacksgebende Zutaten eingearbeitet wurden. Die Begleitlektüre gibts für alle zum Nachlesen hier (und einige Stück sind noch auf Lager, sollte jemand spätentschlossen noch eine haben wollen).

Beide Handwerke, die Schokoladenfertigung und die Backkunst, erfordern viel Aufmerksamkeit, beste Rohstoffe und die aufrichtige Haltung, die Qualität nicht der Quantität zu opfern. Als Herzstück von pain au chocolat, Schokoladenkuchen oder Eclair beginnen diese Erzeugnisse erst dann zu leben, wenn die Schokolade nicht als beliebige Zutat eingesetzt wird, sondern wenn sie als charaktergebend verstanden wird. Schokoladentafeln wiederum haben es ebenfalls auf gute Backwaren abgesehen: salziges Sauerteigbrot oder buttrige Croissants steuern weitere Dimensionen im Geschmack und in der Textur bei. Das Butterbrot oder die Nachmittagsmehlspeise halten Einzug in die guten Schokoladentafeln und locken mit ihren eigenen süßen Reizen. 

Brot und Schokolade sind Teil des alltäglichen Konsums (zumindest wenn wir von der nördlichen Hemisphäre sprechen), und dadurch wird das gesamte Qualitätsspektrum abgebildet: es finden sich billige Massenware aus dem Supermarktregal bis zu handwerklich gefertigten Qualitätsprodukten, gekauft bei Menschen, die über die Herstellung und ihre Philosophie gefragt werden können. Die Kommerzialisierung hat die Brotwelt genauso fest im Griff, Bäckereien schließen ihre Türen, weil die Brotbackautomaten in den Supermärkten das Kaufverhalten verändern und Fertigbackmischungen das gelernte Handwerk der Bäcker:innen verdrängt. Ein hochwertiges, wohlschmeckendes Brot benötigt viele Kenntnisse, viel Zeit und viele zwar simple, aber gute Zutaten. Getreidesorten sind genauso wie Kakaobohnen ausschlaggebende Faktoren im Endprodukt. Wird auf ertragsmaximierte Züchtungen gesetzt, bleibt das meiste an Geschmack auf der Strecke, wird hingegen mit ursprünglichen Sorten, die Charakter und Finesse mit sich bringen, gearbeitet, beißt man in eine Scheibe Brot, die Substanz mit sich bringt. Ein Brotteig benötigt sehr viel Zeit, um sich geschmacklich entfalten zu können. Kommen in diesem Herstellungsprozess zusätzliche Triebmittel zum Einsatz, kann die Produktion zeitlich und mengenmäßig optimiert werden, dies geht allerdings ebenfalls auf Kosten des Geschmacks und der Haltbarkeit. Eine Schokoladentafel lebt eben auch von der Qualität der Kakaobohnen, die im besten Fall von Ursprungsorten stammen und fachkundig geerntet, fermentiert und getrocknet wurden, und der späteren Verarbeitung in der Manufaktur, in der die Kakaobohnen mit viel Aufmerksamkeit und Hingabe zu Schokoladentafeln gefertigt werden. Sowohl Brot als auch Schokolade, die von Menschen mit integren Philosophien hergestellt werden, schmecken besser und sind zudem auch besser für ihr Umfeld: mit Rücksicht auf die Gesundheit der Konsument:innen, die Chancen der Lieferant:innen und die zu erhaltende Umwelt.

Wird nun der Blick auf jene frisch dem Backofen entnommenen Produkte gelegt, die sich auf Schokolade verlassen, gibt es weitere zu besprechende Aspekte: die größeren, den durchschnittlichen Einkommen und Präferenzen befolgenden Anbieter haben gewisse Preisvorstellungen der Kund:innen einzuhalten, und dabei würde eine höhere Qualität der Schokolade mächtig zu Buche schlagen. So ist es ausgeschlossen, dass sich in einem pain au chocolat aus dem Backwarenfach eine auch nur im Ansatz qualitative, fair entlohnte Schokolade befindet. Eine interessante Beobachtung ist, dass einige der größeren Bäckereien zwar bei einem Anteil der Zutaten auf hochwertigeres setzen, also etwa auf regionales Getreide oder die Verwendung von Butter anstatt von Margarine, aber bei der Schokolade einen nachhaltigeren und qualitativ besseren Weg einzuschlagen endet trotzdem bei den Schlagwörtern „bio“ und „Fairtrade“. Zumal haben hier die Schokoladenimperien von Callebaut und Valrhona eine derartige Vormachtstellung, dass Bedürfnisse nach besserem wohl gar nicht erst aufkeimen können. Überrascht hat in einem Gespräch mit dem Produktentwicklungsleiter einer (guten!) Bäckereienkette, dass Callebaut auch mit „Fairtrade“-Kakao bzw. -Schokolade diesen Markt bespielt (Zur Erinnerung: Callebaut und andere dieser Giganten versprechen viel mit Hilfsprogrammen etc. etc., jedoch ist das Gefälle von dem, was die Durchschnittseinkommen von den Kakaofarmer:innen sind und den Gewinnen, die diese Unternehmen erzielen, eklatant verzerrt.) Die Gastronomie wird von diesen Großproduzent:innen in Gastronomieschulen und anderen Fachinstitutionen so in Beschlag genommen, wodurch der Tellerrand so eingeschränkt wird, Gewohnheiten eingebläut werden, dass Bäcker:innen und Konditor:innen eigentlich gar nicht auf die Idee kommen würden, sich woanders umzuschauen.

In den kleineren Handwerkspatisserien schaut es oftmals besser aus, aber auch hier wird auf größere Namen gesetzt. Allen voran ist hier Valrhona im Einsatz, die gute Qualität liefern zu einem wiederverkaufbaren Preis, und die sich über die Jahrzehnte in der höheren Gastronomie eingenistet haben. Aus eigener Verkostungserfahrung einer in allen Medien, gedruckt und online, lobgepriesene Szene-Patisserie hat die Tafelkuratorin aber leider auch die Feststellung gemacht, dass das pain au chocolat zwar handwerklich perfekt war, himmlisch buttrige Freude machte, dass die verwendete minderwertige Schokolade aber ein derart verbranntes, kartoniges Desaster verursachte. Warum selbst kleine, moderne Manufakturen, die überall hohe Qualitätsansprüche haben, bei der Schokolade kaum etwas anderes verwenden als große Betriebe, liegt durchaus an fehlendem Wissen über den überlegeneren Geschmack von Herkunftsschokolade, einer Gewohnheit an die auf Patisserien und Bäckereien maßgeschneiderten Kuvertüren von Callebaut und Valrhona, und letztendlich auch dem Kostenfaktor. 

Die Tafelkuratorin hat es natürlich ebenfalls interessiert, wie hiesige Bäckereien das Thema Schokolade handhaben und hat sich umgehört. Als Vorzeigebeispiel sei Joseph Brot genannt, die seit einigen Jahren mit den Schokoladen von Original Beans in ihren Produkten arbeiten (zuvor wurde mit Zotter-Schokolade gebacken). Chef Josef Weghaupt sagt dazu, dass es entsprechend dem Motiv „Gutes Brot ist nicht genug“ zu einem rigorosen Nachdenken über die faire Behandlung von den Menschen nicht nur in der eigenen Backstube gekommen ist, man wollte auch tiefer in die Produzent:innenkontakte eingehen. Mit Original Beans haben sie ein Partnerunternehmen gefunden, die entlang denselben Wertvorstellungen handeln, wie es von jeher auch beim Getreide galt: ein sorgsamer Umgang mit Menschen und der Umwelt. Josef Weghaupt sagt: „Es kann nicht sein, dass wir uns die Bäuche voll schlagen, während andere für das ausgebeutet werden.“ Wer eine Joseph Brot-Filiale betritt, dessen Augen werden schnell auf das saftige Schokoladen-Croissant und die Chocoholic-Tarte fallen, hergestellt mit wunderbaren Original Beans-Herkunftschokoladen. Dass es eine Premium-Bäckerei schafft, hochqualitative Schokolade in ihren Produkten zu verwenden, und das durchaus wirtschaftlich skalieren zu können, ist immens erfreulich — und das nicht nur für den Gaumen! In diesem Zusammenhang ist die gute Arbeit von Original Beans zu betonen, die gezielt Personen in der Spitzengastronomie, Patisserien und Bäckereien über Herkunftsschokoladen aufklären, und als Testimonials für ihre Produkte gewinnen können. Sie bauen Beziehungen auf und zeigen die geschmacklichen und vielfältigen Möglichkeiten von Schokoladen mit charakteristischen Aromen auf — etwas das einer normierten, immer gleich monoton-schmeckenden Kuvertüre von den Schokoladengiganten entgegensteht. Auf kleinerer Skala (Original Beans ist durchaus zu einem großen Unternehmen gewachsen) tun sich aber auch Schokoladenmanufakturen hervor, die auf eigene Faust aktiv auf Bäcker:innen und Restaurants zugehen und sich vorstellen.

Die Renaissance in der Brotwelt, die seit einigen Jahren an der Vielzahl an neueröffneten, kleinen Bäckereien (in Wien sind das etwa Das Tho, Motto Brot, Ährnst, Meinklang, Ährlich und einige mehr) abzulesen ist, ist ein Vorbild und auch eine Chance für die craft chocolate-Szene, da man sich an sehr ähnlichen Grundeinstellungen orientiert. Und eine Zusammenarbeit einer Bäckerei und einer Schokoladenmanufaktur schafft für beide wirtschaftliche Synergien: Kund:innen werden übergreifend angesprochen, die Schokolade wird in Backwaren verwendet, (übrig gebliebene/s) Brot und andere Backwaren können in kreativen Schokoladentafeln Verwendung finden. Einige dieser schöpferischen Meisterwerke sind in dieser Tafelpost umfasst: eine Milchschokoladentafel mit den famosen, portugiesischen Pastel de Nata oder die berühmte Sauerteigbrot-Schokoladentafel von Pump Street Chocolate. Durch die überragende Qualität der Produkte und die Geschichten, die dazu erzählt werden können, kann man sich im Markt bestens hervortun und neue Kund:innen liebreizen und in die ein oder andere Richtung für sich gewonnen werden. 

Eine Tafelpost-Ausgabe zum Thema Brot und Schokolade wäre unvollständig, wenn sie eben nicht die gerade angesprochenen Pump Street Chocolate im idyllischen Suffolk (UK) vorstellt und deren berühmte Schokoladentafeln vorstellt. Gewachsen aus einer Bäckerei heraus, die mit einem Vater-Tochter-Duo (ein solches Gespann haben wir bei den Zotters ebenfalls) begann, haben sie sich um eine Schokoladenmanufaktur erweitert, wo aus feinsten Kakaobohnen Schokolade herstellt wird. Die Schokolade wird aber nicht nur in perfekt verpackten Tafeln verkauft und in den eigenen Backwaren verwendet, sondern es wird auch der umgekehrte Weg beschritten: das eigene Sauerteigbrot und die Süßbackwaren werden in den Tafeln wiederverwendet. Diese Interpretationen in ihrer „Bakery Series“ sind legendär! Mit der „Sourdough and Sea Salt“-Tafel, die knusprige Brotstücken und dunkle Schokolade vereint, wurde eine so überzeugende Kreation ins Leben gerufen, dass sie eine große Anhänger:innenschaft um sich schart und viele andere Manufakturen inspiriert hat. Es werden aber auch traditionelle (oft britische) Süßbackwaren zu Schokoladentafeln metaphorisiert, wie die Eccles Cake-Tafel oder die Hot Cross Buns-Tafel, die jährlich rund um Ostern erscheint. Pump Street Chocolate sind sehr engagiert in der Kooperation mit Bäckereien und Restaurants, und Gerichte und Backwaren gefertigt mit ihren Schokoladen finden sich in den Menüs von zahlreichen Toprestaurants und -bäckereien über Großbritannien verteilt. Und im Zusammenhang zwischen Brot und Schokolade darf bei Pump Street auch noch auf die genialen Experimente verwiesen, in denen in Zusammenarbeit mit einer jamaikanischen Kakaofarm in der Fermentation hauseigene Brotsauerteigkulturen eingesetzt wurden. Man wollte dabei herausfinden, ob sich durch die Zugabe von bestimmten Hefekulturen die Fermentation beeinflussen bzw. kontrollieren lässt. Die Ergebnisse wurden in der The Fermentation Projekt-Schokoladentafel präsentiert, diese ist jedoch leider nicht mehr erhältlich.

Eine weitere erwähnenswerte Kund:innenfrohlockung im Zusammenhang von Backwerkskunst und Schokolade ist Dandelion Chocolate aus den USA. Dandelion Chocolate stellt ausschließlich dunkle Schokoladen her, aus Kakaobohnen und Rohrzucker, sonst nichts. An ihren Standorten in San Francisco und Kyoto bieten sie aber etwas an, das man im Restaurant-Jargon „flight“ nennt: sie servieren drei gleichzeitig drei Brownies, jeder davon mit einer single Origin-Schokolade aus der eigenen Schokoladenproduktion gebacken. So wird, nebeneinander verkostet, gleich erkenntlich, welche aromatischen Unterschiede in diesen Häppchen möglich sind, obwohl alle dem exakt selben Rezept folgen.

Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass der realistische Anspruch nicht ist, dass jede Backware mit single origin-Schokolade hergestellt wird. Diese will gerne immer für sich allein stehend verkostet werden. Es gibt durchaus einen Schokoladenmarkt, in denen Produkte unter Bedingungen hergestellt wurden, die eine überlegenere geschmackliche Qualität aufweisen und die mit Respekt gegenüber Menschen und Umwelt hergestellt wurden — das Beispiel von Original Beans ist ein wegweisendes Projekt. Logischerweise sind bessere Kuvertüren und Schokoladen teurer und bilden sich im Preis des pain au chocolat oder dem Brownie ab. Auch hier, wie bei den Schokoladen in Tafelform, muss ein Bewusstsein für das fatal ungerechte System in der Kakaoindustrie ankommen, damit sowohl die Produzent:innen als auch die Konsument:innen bereit sind, anständige Preise zu zahlen. Die gute Schokolade kann von dem Wiederaufleben von handwerklich arbeitenden Bäckereien profitieren, die eben sehr viel mehr Wert auf die Qualität und die Herkunft ihrer Produkte leben.

 

Wenn über die Synergien von Schokolade und Brothandwerk gesprochen wird, sollen die folgenden Schokoladen lobend hervorgehoben:

Beschließen sollen diese Tafelpost drei Rezepte, die die gute Schokolade am Teller in Szene setzen: Chocolate Nemesis a la The River Café, Klassische Brownies nach Dandelion Chocolate und Getoastetes Brot mit Schokolade, Meersalz und (Oliven)Öl.

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