Zum Tag der Heißen Schokolade

Eine Liebesbotschaft. Eine kurze historische Zusammenfassung. Einige kritische Zeilen. Ein Bericht zu den besten Adressen. Ein Rezept. Und ein Appell.

Aus Anlass des Tags der Heißen Schokolade, der heute am amerikanischen kulinarischen Kalender steht, soll es im nachfolgenden Beitrag um meine zweitliebste Form der Schokolade gehen, wenn sie nicht in eine Tafel gegossen ist: heiß in der Tasse mit feinporigem Schaum und tiefen Kakaoaromen.

Eine kurzer historischer Exkurs ist im Zusammenhang mit heißer Schokolade naheliegend, wurde Kakao doch für die längste Zeit in der Menschheitsgeschichte flüßig konsumiert. Im Allgemeinwissen recht gut verbreitet ist der Konsum von Kakaogetränken unter den mesoamerikanischen Hochkulturen der Olmeken, der Maya und der Azteken schon vor vielen Jahrhunderten, sogar Jahrtausenden. Kakao wurde in diesen Kulturen ausschließlich als bitteres Getränk bei Raumtemperatur konsumiert, hergestellt aus zerriebenen, mit Wasser vermengten Bohnen (auch andere Zutaten wie Maismehl, Gewürzen und Blüten kamen zum Einsatz). Durch das Hin- und Herschütten zwischen Gefäßen aus großer Höhe entstand geschäumtes Getränk. Es wurde vor allem zur Stärkung getrunken (einer vielverbreitenden Legende nach trank Herrscher Montezuma 50 Tassen pro Tag) und war den Herrschenden vorbehalten. Kakao war ein Statussymbol: er wurde im sozialen Gefüge bei vielen Anlässen eingesetzt — bei diplomatischen Verhandlungen, Eheschließungen, religiösen Festen, kriegerischen Einsätzen, genauso war er eine Grabbeigabe und wurde als medizinisches Heilmittel für verschiedenste Leiden und Krankheiten verwendet, ihm wurde die Heilung von Infekten, Verdauungsbeschwerden, Fieber und Husten zugeschrieben. Der Rohstoff Kakao war dementsprechend viel wert, wodurch er auch als Währung für Nahrung, Kleidung und Waren gebraucht wurde (Geld wuchs also doch auf Bäumen!).

Die eingetroffenen spanischen Kolonialisten im 16. Jahrhundert konnten mit dem Getränk nichts anfangen, da der europäische Gaumen dem bitteren Geschmack nichts abgewinnen konnte. Christopher Columbus sind die wertvollen „Mandeln“ der Maya, wie sie in Reisedokumenten beschrieben werden, zwar aufgefallen, aber es dauerte noch einige Jahrzehnte bis die europäischen Adelshäuser in einen Kakaorausch versetzt wurden. Es ist unklar, wann exakt Kakao erstmals am europäischen Kontinent eintraf, Einigkeit herrscht in der Literatur jedoch darüber, dass er sich in Form des aztekischen Getränkevorbilds am spanischen Hof in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts etablierte. Das Schokoladengetränk, das die europäischen Höfe durchdrang, wurde (anders als am amerikanischen Kontinent) heiß getrunken und aus Wasser, Kakaobohnen, einer Menge an Zucker (auch das ist eine europäische Ergänzung) sowie verschiedenen Gewürzen, die ebenfalls aus der Neuen Welt aufgenommen wurden, angerührt. Der Leibarzt des Großfürsten Cosimo III de Medici, ein gewisser Francesco Redi, etwa, entwickelte eine üppige, fürstliche Rezeptur, in der Kakaobohnen über mehrere Tage mit Jasminblüten parfümiert wurden, bevor diese mit Vanille, Zimt und Amber (!) zum heiß begehrten Getränk angerührt worden (das Rezept rückte Redi bis zu seinem Tod nicht heraus und man stelle sich vor, welchen immensen Wert Gewürze im 17. Jahrhundert hatten). Kakao wurde zu dieser Zeit als medizinisches Produkt — der damals geltenden Säftelehre folgend — konsumiert. So wurde die Einnahme als die Säfte ausgleichend be- und verschieben, oder eben untersagt, um diese Körpersäfte nicht aus der Balance zu bringen.

Übrigens geht die Verwendung von Milch statt Wasser in heißer Schokolade auf den britischen Naturforscher Sir Hans Sloane zurück, der während eines Jamaica-Aufenthalts Kakao kennenlernte, fand ihn aber in der dort konsumierten wasserbasierten Form zu bitter, und begann ihn also mit Milch anzurühren. Mit diesem Rezept kehrte er ins Heimatland zurück, das schnell Anklang fand.


Mein kompliziertes Verhältnis mit heißen, koffeinierten Heißgetränken ist wohlbekannt - ich vertrage kein Koffein und dennoch übt die Aromenvielfalt in Kaffee und Tee eine magische Anziehungskraft auf mich aus. Der sichere Weg für mich ist somit die Wahl einer Tasse heißen Schokolade (Schokolade enthält zwar auch Koffein, aber nur zu einem sehr geringen Anteil). Der schwerwiegende Nachteil beim Auswärtskonsum ist daher leider eben jener, dass sich kaum eine Gaststätte mit der Herstellung einer aromatisch komplexen Tasse auseinandersetzt, im Gegensatz zu den Orten, wo Baristas eine Menge Zeit, Grips und Leidenschaft in die Zubereitung von Spezialitätenkaffeegetränken stecken. Dabei würde sich eine Tasse heißer Schokolade so wunderbar anbieten, die Aromen des Kakaos darzustellen, da durch die Erwärmung die Noten ans Tageslicht treten (so entsteht ja auch das Aroma am Gaumen, durch die schmelzende Kakaobutter entfalten sich die Aromen im Mund). Die servierten Tassen enttäuschen leider in den allermeisten Fällen, weil meist billiges Kakaopulver, das vor allem aus Zucker besteht, verwendet wird. Und irgendwie vermute ich, dass ein „Kakao“ auch in die Kindergetränkeecke verfrachtet wird und dort gehts ja wohl wenig um Komplexität. Ich stelle Kakao auch deswegen unter Gänsefüßchen, weil ich einen Unterschied mache zwischen einem aus einem gezuckerten Pulver angerührten Getränk, das läuft bei mir unter Kakao, und einer heißen Schokolade, in der tatsächliche Schokolade zum Einsatz kommt. Wenn mir bei der Lektüre des Menüs dann die Zeile Kakao auffällt, dann sinken auch meine Hoffnungen darauf, dass es sich um ein seriöses Getränk handeln wird. Gleichzeitig steht zu oft auf der Karte „Heiße Schokolade“ und dann wird mir eine Tasse vor die Nase gestellt, wo billiges Kindergetränkepulver drin zu finden ist. Ich bin dazu über gegangen vorher zu fragen, wie die „Heiße Schokolade“ zubereitet wird, um mir Enttäuschungen gleich zu ersparen.

Aber es gibt Grund zur Hoffnung: die aufstrebende craft chocolate Szene spricht sich herum und Barista kommen zur Erkenntnis, dass es viele Anknüpfungspunkte bei Herkunftskaffee und -schokolade gibt und die Menükarte für Besucher:innen entsprechend vielfältiger gestaltet werden kann. Und dann gibt es etwa findige Entrepreneure wie Jens Knoop, der mit Knoops beinahe ein Einhorn geschaffen hat, und sich ganz und gar der Fertigung von bester heißen Schokolade verschrieben hat. In mittlerweile acht (bald zehn!) Filialen in den UK werden aus einer fast unüberschaubaren Auswahl an Herkunftsschokoladen, von weiß bis zur hunderprozentigen, wirklich überzeugend schmeckende Schokolade in den Tassen serviert. 

Die Lesenden (und mich eingeschlossen) wird es bitter enttäuschen, dass ich die mit Abstand beste heiße Schokolade in London verorten muss — WatchHouse verwendet Schokolade von BareBones Chocolate und es stimmte alles daran. Das Getränk hatte geschmackliche Komplexität (tolle Trockenfruchtaromen und etwas karamellig), hatte die richtige Konsistenz (keine Stückchen mehr und durch die richtige Menge Schokolade nicht mehr wässrig) und Temperatur und einen ordentlichen feinporigen Milchschaum. Würden doch nur alle Tassen mit einer solchen Perfektion und Qualität daherkommen…

Ich habe natürlich die Anlaufstellen der Stadt, in der ich lebe (also Wien), schon gut auf Herz und Nieren in Sachen heißer Schokolade getestet. Und ich konnte ein paar tolle Tassen ausfindig machen. In Sachen Qualität der Rohstoffe (verwendet wird die tolle Original Beans Schokolade) und somit geschmacklich am überzeugendsten ist für mich Joseph Brot (Wermutstropfen: es ist mir schon einige Male passiert, dass die Barista gehudelt haben und das To-go-Getränk schlampig zubereitet war, im Vor-Ort-Verzehr war aber immer alles wunderbar). Wunderbar schmecken tuts mir auch im Paremi, die - natürlich französisch - Valrhona Caraibe verwenden. Die Tassen in der kaffeefabrik (und die lieben Menschen dort, die sie zubereiten) liegen mir ebenfalls besonders am Herzen und sie haben ihr eigenes Rezept (das mir sogar anvertraut wurde), gemischt (zwar) aus Bio-Kakaopulver und ein paar Geheimzutaten. Und ein italophiler Bonus-Hinweis: im Monte Ofelio gibts die dicke, mollige italienische heiße Schokolade, wofür ich ein ziemliches Faible habe. Die kommt aber aus dem Packerl, hochwertiger Kakao ist da nicht drinnen. Schmecken tuts mir trotzdem und samstags bin ich dort häufig anzutreffen.


Wer sich noch auf der Suche befindet nach einem beeindruckenden Rezept, dem möchte ich die luxuriöse Zubereitungsart von Dandelion Chocolate ans Herz legen (reicht für 2 Tassen):

  • 80 Gramm gehackte / geriebene Schokolade* (etwa 70%)

  • 250 ml Milch**

  • 2 EL brauner Zucker

Man erhitze 250 ml der Milch über einem Wasserbad. Nun die Schokolade zufügen und 3 Minuten gut rühren bis alles aufgelöst ist und eine sehr dickflüssige, ebenmäßige Konsistenz erreicht ist. Dann langsam die restliche Milch beigeben und glatt rühren und weitere 3-5 Minuten erwärmen. In die schönste Tasse einschenken.

*Ein Wort zur Zutat: es muss bestimmt nicht gesondert ausformuliert werden, aber aus einer minderwertigen Schokolade lässt sich auch kein gutes Endergebnis herbeizaubern. Ich würde jedoch auch nicht meine kostbarste Tafel hier zum Einsatz bringen. 

**beliebige Milch, gerne auch Pflanzenmilch — am besten zu den Barista-Packungen greifen, die dünnflüssigen wie Mandel o.ä. liefern jedoch kein molliges Ergebnis

Mit einem Appell an die wunderbaren Barista und Coffeeshop-Betreiber da draußen möchte ich diesen Beitrag schließen: ich würde euch gerne dazu anstiften, auch den Schokoladenteil der Menükarte genau so leidenschaftlich und gewissenhaft zu betrachten wie eure bis ins kleinste Detail durchdachten Kaffeebohnen. Es herrscht Klarheit darüber, dass Bio-Kaffee nicht weit genug geht, und dass diese Zertifizierungen nichts über Qualität aussagen. Das gleiche gilt für das zum Einsatz gebrachte Kakaopulver. Die Schokoladenwelt hält genauso viel (tatsächlich sogar mehr!) Aromenkomplexität bereit, und auch hier gibt es spannende single origins und Herkunftsbohnen zu entdecken. Die Kund:innen werden überzeugt sein, ich verspreche es!

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Tafelnotiz: Standout Chocolate Lachua 70%