Tafelnotiz: Cacao Junajpu Alquimia 87%
In meinen Tätigkeiten als neugierige und begierige Schokoladenkosterin habe ich ja schon viele, also wirklich viele Tafeln geschmeckt. Das Aromenspektrum (auch das Qualitätsspektrum) hab ich dabei schon gut durchgespielt, von fruchtiger Himbeere, buttriger Macadamia oder herbem Balsamico (ja, gibts auch) kreuzte so einiges meinen Gaumen. Aber hin und wieder, zum Glück, kommt dann doch eine Tafel daher, die mich wirklich noch überrascht. Und bewegt.
Besagte Tafel hat mir der gute Martin Wölfl schon im Dezember gegeben, die er bei einer seiner Reisen zu Kaffeefarmer:innen mitgenommen hat (danke noch einmal innigst!). Nun endlich hab ich die nötige, ungestresste, ungeteilte Aufmerksamkeit dafür gefunden, weil so viel Trubel war. Seit ich die Tafel vor zwei Tagen aufgemacht hab bin ich gedanklich und genüsslich total eingenommen davon. Und ich bin auch so demütig irgendwie, dass ich mich gar nicht weiter essen traue davon.
Produzent: Cacao Junajpu
Art: Dunkle Schokolade mit Gewürzen
Kakaogehalt: 87,5%
Herkunft der Bohnen: Single Plantation Criollo-Bohnen aus Suchitepequez, Guatemala
Zutaten: („Amor“ steht als erste Zutat :) gefolgt von >) Kakaobohnen, Panela, Maya Gewürze, Vanille
Ich finde ja diese Analogie immer recht kitschig, wenn man sagt, dass man mit single origin Schokolade zu ihren Ursprüngen „reisen“ kann. Was diese Tafel aber bei mir ausgelöst hat, war diese ganz banale Faszination davon, dass andere Kulturen anders schmecken und andere Geschmäcker in sich bergen. Diese Vielfältigkeit ist einfach super und ein kleines Lebensmittel kann also so viel dicht gepacktes Kulturgut in die Welt hinaustragen.
Die Alquimia Tafel von Cacao Junajpu in Guatemala wurde aus Kakaobohnen gemacht, die auf einer einzigen Farm geerntet wurden (= single plantation). Die Herstellungsweise von Junajpu ist sehr tief verbunden mit den Jahrtausende alten Maya-Traditionen des Kakaokonsums. Die Kakaobohnen kommen von mayastämmigen Farmer:innen und werden nur minimal geröstet. Gesüßt wurde die Tafel mit Panela (diese Art des Zuckers ist sehr verbreitet in Lateinamerika) und mit traditionellen Gewürzen und Blüten verfeinert (leider wird außer Vanillebohnen nicht spezifiziert, welche es sind). Produziert wird nur in Kleinmengen, und die Produktion ist begleitet von Zeremonien aus dem Mayakalender (dem „Cholq'ij“).
Etwas das mich selbstkritisch auch noch beschäftigt: diese Tafel kommt so unprätentiös und einfach daher, eingewickelt in Aluminumfolie, in brauner Papierverpackung und mit Klebeband fixiert. Viele Verpackungen und Brandings sind so laut designed, um möglichst das Interesse der Konsument:innen auf sich zu lenken — ich denke da natürlich vor allem an jene, die mir aus dem europäischen und angloamerikanischen Kontext geläufig sind. Eigentlich sollte es ja um den Inhalt gehen (was nicht bedeutet, dass bean-to-bar Hersteller:innen nicht genauso viel Gedanken investieren in den Packungsinhalt selber), aber wir sind so trainiert auf das schöne Drumherum. Die unscheinbare braune Junajpu-Tafel hat mir selber wieder vor Augen geführt, wie voreingenommen ich oft bin in diesen Belangen.
Müsste ich jetzt zusammenfassen, was ich geschmeckt habe, könnte ich es am ehesten mit mit Cassis- und Kirschartig und zarter Vanille beschreiben, karamellig aber ohne die Picksüße, ein bisschen nussig auch, herb-würzig und recht schwer und trotzdem eigentlich leicht. Aber das trifft es nicht exakt. Eigentlich ist es auch egal, denn das sag ich ja immer: Verkosten soll keine versnobte Wissenschaft sein, es soll Freude machen und anregend sein für die Sinne.
Wie großartig wäre es, wenn viel mehr Schokolade in den Markt einziehen würde, die nicht nur aus hochwertigen Zutaten geschaffen ist, sondern die auch so in ihren kulturellen Kontexten verankert ist.