Manufakturbesuch: Martin Mayer Schokoladen
Während meiner Sommerfrische im elterlichen Oberösterreich hab ich einen Ausflug ins idyllische Meggenhofen im Hausruckviertel gemacht. Dort ist in einem Vierkanthof ist Martin Mayers Schokolademanufaktur beheimatet. Der berühmte Brownie-Geruch, den geröstete Kakaobohnen verströmen, durchflutet den ganzen Hof und erweckt die Neugier.
In einem Gespräch erzählte Martin detailliert über seinen Weg vom (gelangweilten) Konditor hin zum (wissensbegierigen) Schokoladenmacher. Obwohl ihm das Handwerk sprichwörtlich (von Oma und Vater) in die Wiege gelegt wurde, hat er sich auf diesem klassischen, vorgezeichneten Weg als Bean-to-Bar Hersteller neu erfunden.
Führ uns durch die Genese der Manufaktur - wann hat alles begonnen, hast du immer schon bean-to-bar gemacht?
Zur Zeit wo ich anfang mich für Schokolade zu interessieren, waren Maschinen für eine kleine Manufaktur gar nicht erhältlich, es gab nur riesige Industrieanlagen. Meine erste Anfrage bei einem Maschinenhersteller wurde mir mit einem mehrere Millionen teuren Preiszettel für eine 500 Kilo-Stundenvolumen-Anlage beziffert — ich hatte halt eine kleine Labormaschine im Kopf. Den ersten Anknüpfungspunkt konnte ich auf einer Fachtagung in Bogota 2015 schließen, auf die ich von staatlicher kolumbianischer Initiative eingeladen wurde. Bei einem Speeddating mit Kooperativsprechern konnte ich erstmalig Kontakte für direktbezogene Bohnen knüpfen. Ich lernte dort auch die indischen Gewürzmühlen kennen, die in unserer Szene zur Kakaoverarbeitung sehr verbreitet sind, und erhielt wertvolle Tipps für Röstprofile, das Aufbrechen der Kakaobohnen etc. Diese Notitzen habe ich immer noch in einer Mappe. Noch am Heimflug habe ich beschlossen, den Premier Spice Grinder zu bestellen und bei Uncommon Cacao um eine gemischte Palette anzufragen. Der Versand kostete damals noch so viel wie der Warenwert selber. Ich ging all-in und investierte alles in Schokolade. Seit 2016 sind die ersten Single Origin-Schokoladen am Markt und seit 2018 fertigen wir alles von der Bohne weg.
Warum machst du Schokolade? Welcher Sinn steckt für dich dahinter?
Aufgewachsen bin ich in einer Konditorei und als ältester Sohn war eigentlich klar, dass ich übernehmen werde. Das Handwerk hab ich in meinen Ausbildungen zum Koch und Konditor von der Pieke auf gelernt. Meine Großmutter war die erste Konditormeisterin in Österreich, schon in den 1960ern hat sie hier am Land Schokoladen-Nikoläuse und Schokoladen-Osterhasen gemacht. Da habe ich ihr als kleiner Bub zugeschaut. Von meinem Vater wiederrum habe ich eine sehr stark technische Ader geerbt. 10 Jahre habe ich meine Konditorei selbstständig geführt und habe in sehr guten Häusern arbeiten dürfen. Zum Schluss war ich Chef-Patissier in Wien im Korso im Hotel Bristol, und habe auf höchstem Niveau und mit Toprezepturen gearbeitet. Ich habe aber gemerkt das mir etwas fehlt. Die Schokolade bietet einen Konnex zur Basis. Wir verarbeiten jetzt Früchte aus dem eigenen Garten, ich habe Kontakte zu den Farmern, von denen wir die Bohnen beziehen, und ich kann das Handwerk technisch gut umsetzen. Das entspricht mir sehr. Mein wirklicher Antrieb ist der Geschmack. Es macht mir die größte Freude, die immer wechselnden, unglaublichen Geschmacksnuancen von Kakao und Schokolade täglich aufs Neue zu entdecken. Frei nach Reinhard Gerer: „Der Geschmack ist das Wichtigste!"
Was sind die größten Herausforderungen?
Trotz dem dass ich aus der Lebensmittelbranche komme, ist eine wesentliche Herausforderung, die Prozesse zu standardisieren, so dass jede Charge Schokolade gleich wird, von der Röstung über Vermahlung bis zur Conchierung. Da ist sehr viel Individualismus und Gefühl dabei. Man muss zum Beispiel immer mitbedenken, in welcher Saison man röstet, im Sommer hat die Bohne eine wärmere Ausgangstemperatur als im Winter. Wenn man nicht genug geröstet hat, dann hat man beim Vermahlen zu viel Wasser in der Schokolade, das zieht sich durch wie ein roter Faden. Dann wirds beim Temperieren der Schokolade schwierig und die Tafeln werden stumpf, sogar grau. Ich denke mich da bis in Molekül hinein, was in der Bohne passiert. Es ist immer ein Herantasten, wir verändern und optimieren laufend unsere Verfahren. Nach einem Betriebsausflug zu einem befreundeten Kaffeeröster haben wir unsere Röstkurve komplett auf den Kopf gestellt, mit dieser kleinen Umstellung sind wir sehr happy! Das ist das faszinierende, ich bin auch nach so vielen Jahren täglich gefordert, neue Schlüsse zu ziehen. Eine weitere Herausforderung ist ein eigenes Firmengebäude, das energiewirtschaftlich funktioniert, da planen wir gerade. Selbstverständlich auch die massiv gestiegenen Energiepreise.
Wer und was hilft dir?
Ein Netzwerk! Ich habe einen sehr guten Freund, Karl Harrer aus Sopron in Ungarn. Wir haben ungefähr zur gleichen Zeit begonnen und unsere Entwicklungsschritte ähneln sich sehr. Mittlerweile besuchen wir gemeinsam Maschinenhersteller, wir treffen uns zwei bis drei Mal im Jahr, in manchen Wochen rufe ich ihn mehrmals an. Er ist ein wichtiger Mentor und geschätzter Fachmann. Mit einer soliden Ausbildung im Lebensmittel- und Konditorbereich ist man sicher auch klar im Vorteil.
Was sind die stolzesten Momente?
Dass ich mit den Tourenschi auf den Sonnblick gegangen bin (lacht). Wir haben jedes Jahr ein Stück zur Produktion dazugebaut, wodurch wir jetzt einen Standard haben, der mich sehr stolz macht. Die Wertschöpfungstiefe von der Bohne weg bis hin zur eigenen Verpackung macht mich stolz. Dadurch können wir auf sehr viele Anfragen reagieren, denn wir wachsen stark im Segment der Lohnfertigung. Wir haben das Know-how und die technischen Möglichkeiten, Kundenwünsche in der gewünschten Menge von sehr klein bis zu Großaufträgen genau ausführen zu können. Das macht den Alltag auch abwechslungsreif und nebenbei entsteht Produktinnovation. Zum Beispiel experimentieren wir mit unterschiedlichen Zucker- und Milchzuckerarten. Da wir keine Großhandelspartner beliefern, bin ich im direkten Kontakt mit unseren Wiederverkäufern, das ist mir sehr wichtig. So bekomme ich auch direktes Feedback.
Wie und von wem beziehst du deine Rohstoffe?
Wir haben einen sehr guten direkten Kontakt nach Guatemala. Wir arbeiten aber mit verschiedenen Kakaosorten und man kann nicht in jede Region Topkontakte haben, und oft brauchen wir bei manchen Origins auch nur 1-2 Säcke pro Jahr. Daher arbeiten wir auch mit Händler:innen, wie zum Beispiel Uncommon Cacao. In den sieben Jahren wo ich im Geschäft bin, habe ich auch schon einige Böcke geschossen. Man muss herausfinden, welche Lieferant:innen die richtige Qualität liefern. Da war schon viel Müll dabei. Wir achten auf standardisierte Qualität, ohne Schimmel, ohne zu viel Bruch und ohne zu viele Störaromen.
Hast du eine Lieblingsbohne?
Die Maya Mountain aus Belize ist eine der abartig besten Bohnen, definitiv! Im Rennen ist auch noch die Lachuá aus Guatemala. Da haben wir noch 30 Säcke liegen, zum Glück, und die werden gehütet wie mein Augapfel.
Wie siehst du den österreichischen Markt?
Da hab ich einen sehr guten Vergleich. Vor dem Weinskandal haben die österreichischen Durchschnittskonsument:innen einen Roten und einen Weißen gekannt, vielleicht noch einen Unterschied zwischen resch und lieblich. Die Branche ist am Boden gelegen und hat sich neu erfinden müssen. Danach wurde Qualitätswein erzeugt und Rebsorten wurden charaktertypisch ausgebaut. Das ist ein schönes Bild für unsere Mission. Bei Gruppen, die hier sind, fange ich immer bei der Frage nach den Rohstoffen an, erkläre die Zutaten und wie sie zusammenspielen. Die Aufklärungsarbeit ist ganz wichtig. Ich gebe immer zwei bis drei Single Origins zum Kosten, die möglichst unterschiedlich sind, damit man den Unterschied erkennt. Aber die Leute kaufen auch das, was sie gewohnt sind…
Was sind deine Desert Island-Tafeln?
Unsere Hauszwetschke und Maroni. Aber auch die Maya Mountain und Alto Beni-Tafeln.
Wann darf Schokolade für dich nicht fehlen?
Bei mir hilft eine Rippe dunkle Single Origin-Schokolade, wenn ich im Alltag mal wieder nicht weiß, wo mir der Kopf steht. Das ist dann Urlaub für die Seele und nach der kleinen Schoko-Pause geht alles leichter von der Hand.
Martin hält nichts von schrillen, lauten Verpackungen und lässt immer die Qualität der Produkte für sich selbst sprechen. Seine Produkte sollen jene Kund:innen finden, die das Handwerk auch wertschätzen. Wenn er über die Verarbeitung von Obst aus dem eigenen Garten für die gefüllten Schokoladen spricht, merkt man, dass ihm das Herz aufgeht.
Danke Martin, dass du dir Zeit genommen hast!
Eine Rippe der Lachuá-Tafel habe ich als Wegzehrung am Heimweg gleich verköstigt und ich schmolz nicht aufgrund der sommerlichen Temperaturen dahin…