Zu Besuch bei: Karuna Chocolate
Anfang des Sommers, noch bevor alle anderen zu ihren Destinationen aufgebrochen sind, war ich auf großer Italien-Reise unterwegs, und es wäre ja nicht zu verkraften gewesen, hätte der Südtirol-Aufenthalt ohne einen Besuch bei Karuna in Feldthurns stattgefunden (übrigens: wenn man schon im Mai Urlaub macht, fühlt sich der Sommer unendlich lange an — als Nicht-Sommer-Person ist mir Ende Juni dementsprechend auch die Lust auf Hitze und Sonne schon wieder vergangen gewesen). Zu den Produkten von Karuna gibt es in meinem Haushalt einen besonderen Bezug, da die Indien-Tafel von meinem Mann, der kein besonderer Schokoladenesser ist, als die beste Schokolade, die er je gegessen hat, bezeichnet wurde, und weil ich selber die Kreation aus Belize-Kakao in Verbindung mit Tabakblättern in der Tobacco Leaves-Tafel auf einen Podestplatz bei Aromatafeln stellen würde. Das schöne Design der gegossenen Tafeln und ihrer Verpackungen wird mir regelmäßig von Verkoster:innen, Kund:innen und Beschenkten zurückgegeben. Dieses Feedback habe ich selbstverständlich auch an Armin weitergegeben, dem es eine sichtliche Freude ins Gesicht zeichnete.
Armin und Katya Waldboth, die freundlichen Gesichter hinter Karuna, sind wie für die Bean-to-bar Szene fast charakteristisch Quereinsteigende, mit Hintergründen im Musikinstrumentenbau und in NGO-Arbeit. Bei Katyas Anstellung in Indien wurden sie auf Kakao aufmerksam und auch die weitere Geschichte liest sich wie der typische Werdegang der von Schokoladenpionier:innen, denn sie haben mit indischen Gewürzmühlen begonnen, Schokolade herzustellen. Seit 2018 fertigen sie in ihrer dann errichteten Manufaktur fantastische Tafeln und haben sich seither einen der bekanntesten Namen in der Welt der europäischen Handwerksschokoladenmanufakturen erarbeitet.
Dieser Name, Karuna, geht auf das gleichlautende Sanskrit-Wort für Mitgefühl zurück und ist ein zentrales Element in ihrer Philosophie: ihr Schaffen geht nicht auf Kosten von Menschen oder Umwelt. Das wurde auch im Gespräch mit Armin bei der Vor-Ort-Besichtigung deutlich, der wie immer mit einem so warmherzigen und offenen Gemüt den Nachmittag mit uns teilt. Vorm Eingang schon ist ein verheißungsvolles Weinfass platziert, ich ahne, dass darin eine weitere Charge der Pippa-Tafel heranreift. Armin geizt nicht, seine Erfahrungen zu teilen und bringt umsichtige Perspektiven über die Schokoladenindustrie, Konsument:innenverhalten und den Ansatz seiner eigenes Tuns zum Ausdruck. Und ganz nebenbei hat er mich mit einer Nascherei sozusagen versöhnt, die ich als Erwachsene (weil gereifter Gaumen) und Vegetarierin (weil enthaltene Gelatine) nicht mehr anrühren wollen würde — Schokobananen. Aber dazu im Späteren mehr.
Über die Bedeutung von Biozertifizierungen
Biologisch handeln ist wichtig, der Lebensmittel wegen, der Menschen wegen, der Natur wegen. In bio gibt es aber solches und solches, es ist ein großer Markt geworden. Da gibt es auch Biowaren aus spanischen Gewächshäusern, da kann man sich schon auch die Sinnfrage stellen. Wir haben von Anfang an entschieden als biozertifizierter Betrieb zu arbeiten, das eröffnet uns nämlich auch den Markt, der nur biozertifizierte Ware verkauft, wo man anders ja gar nicht reinkommt, also z.B. Bioläden. Dort haben die Kund:innen auch schon eine viel höhere Bereitschaft für Qualität und gute Ware mehr auszugeben. Ich sehe es als Vorteil, insbesondere auch im Norden, wo viel Wert auf bio gelegt wird. Es ist auch kein besonderer Aufwand, da wir einmal im Jahr das Audit haben. Wir sind ein 100%iger Biobetrieb, das macht es auch einfacher als ein Mischbetrieb, sonst muss man getrennte Lager haben und nachweisen können, dass keine Kontamination stattfindet. Ich bin ein großer Befürworter von Bio-Landwirtschaft, auch in meinen eigenen Konsumentscheidungen. Schauen wir uns an, wie es zum Beispiel um den konventionellen Apfelanbau hier in Südtirol steht. Es wird 30 Mal pro Jahr mit verschiedenen Mitteln gespritzt, das zerstört den Lebensraum von den Tieren und diese Mittel sind permanent in der Luft, die wir atmen.
Über wirtschaftliches Handeln im Bean-to-bar Sektor
In unserem Segment wird niemand reich, aber man kann davon leben. Es ist ein großes Zahlenspiel. Beim Chuncho-Kakao habe ich dieses Mal zugeschlagen und zehn Säcke gekauft. Mit den Prämienzahlungen, die Marge für den Vertrieb, die Gebühren für Fracht und Zoll etc., kommt einiges zusammen. Und der derzeitige Marktpreis für Kakao hat sich ja massiv gesteigert, also wird sich unser Einkaufspreis für die Kakaobohnen beim nächsten Mal auch etwa verdoppelt haben. Bezahlt wird im Voraus, dementsprechend ist im Lager sehr viel gebundenes Kapital. Es besteht auch ein Risiko am anderen Ende, dass mir Kund:innen wegbrechen, das wäre insbesondere bei Großkund:innen ein ziemlicher Schaden. Wir haben mehr als 100 Wiederverkäufer:innen weltweit und machen das alles selber, wir haben keinen Verteiler. Wir sind da gut und breit aufgestellt, aber es ist natürlich auch viel Aufwand mit dem administrativen und logistischen. Wir verkaufen zwischen 50.000-60.000 Tafeln pro Jahr und sind als kleines Team dabei sehr effizient. Direktverkauf läuft bei uns eher nebenbei, den Onlineshop haben wir noch nie groß beworben. An Märkten nehmen wir gerne teil, da gibt es hier in der Gegend einige coole Konzepte wie Kräutermärkte und Handwerksmärkte. Die sind uns auch deswegen wichtig, weil wir hier direkt Kontakt zu den Kund:innen haben, den gibt es im Marktregal ja nicht. Die Kund:innen bekommen so Informationen und können kosten. Wir haben auch sehr viele Betriebsbesichtigungen hier.
Über den Herstellungsprozess
Die Bohnen sortieren wir per Hand. Zu viel Zeit sollte man dabei aber nicht verlieren, weil das kostet ja auch Geld am Ende des Tages. Da haben wir eine eigene Sammlung mit Dingen, die wir schon gefunden haben, wie Nägel und Steine. Für jede Bohne haben wir ein eigenes Röstprofil. Die Bohnen zu rösten macht jede:r anders und hängt vom Gerät und vom Stil ab. Das finde ich schön, dass alle ihre eigenen Interpretation haben. Oft fragt man sich dann selber, wie die das machen, würde ich das mit meinen Bohnen machen, würde das überhaupt nicht gut schmecken. Mein Profil ist in drei Phasen unterteilt, beginnt mit einer niedrigen Temperatur, am Schluss ist es am heißesten. Die Röstkurve ist auch so konzipiert, dass sich die Schale später gut löst und dass Bakterien abgetötet sind. Am supersten arbeiten die Kaffeeröstmaschinen, aber die sind sehr teuer. Unser Herufek-Winnower (Anm.: eine Brechmaschine zum Ablösen der dünnen Haut, die den Kern umgibt) ist unser Ferrari. Da haben wir nur 20 Prozent Verlust, das ist sehr gut im Vergleich zu den anderen Maschinen, wo man mindestens 23-25 Prozent einbüßt. Auf die Gesamtmenge im Jahr umgerechnet, die man verarbeitet, hat so etwas einen großen Wert. Nach dem Vermahlen füllen wir die Schokoladenmasse in den Container und lassen sie über Nacht abkühlen. Dann verpacken wir sie für die weitere Verarbeitung zu ca. 10 Kilo-Blöcken. Auch hier ist wieder viel Kapital gebunden. Wie lange wir sie liegen lassen, hängt vom Workflow ab, aber im Idealfall so ca. 1 Monat. Es ist kein bewusstes Reifenlassen, sondern mehr ein Rastprozess, denn das meiste bei der Aromenentfaltung passiert in den ersten drei Wochen. Wenn wir direkt nach dem Verwalzen temperieren, verpacken und so verkaufen, könnte der Kunde nach einem Monat feststellen, dass sich die Schokolade total verändert hat. Am Anfang hat gibt es in der Schokolade noch recht viele Ecken und Kanten, das beruhigt sich im Laufe dieser Rastzeit. Unsere Verpackung ist aus Natureflex-Folie von einem deutschen Hersteller, in die packen wir die Tafeln per Hand und verschweißen sie. Jetzt haben wir auch endlich eine schöne Verpackung für unsere Dragees etc. gefunden. Verpackung und Design ist ein großes Thema, das hört nie auf, bei jedem Nachdruck haben wir irgendwelche Veränderungen zum machen. Die Grafik macht mein Papa, da bin ich ihm sehr dankbar, denn so etwas kostet ja auch sehr viel Geld. Für unsere Verpackung bekommen wir sehr viel gutes Feedback, dass das gefällt. Der Großteil unserer Kund:innen sind übrigens Frauen.
Über den kreativen Teil der Arbeit
Ich experimentiere sehr viel mit Aromen und Zutaten, das macht mir Spaß. Ich kaufe immer mal wieder Rohstoffe ein, wo ich mir denke, da könnte ich was draus machen, manchmal kommt mir die Idee aber erst Monate oder Jahre später. Viel passiert gleichzeitig, ich brauche dafür Zeit und Muße. Bis die Inspiration kommt, kann das auch schon mal dauern, ich habe da keinen Stress.
Der nächste Teil unseres Gesprächs ist zensuriert, da wir etwas gekostet haben, das noch unter Armins strenger Geheimhaltung ist. So viel sei gesagt: es war ein Geschmackserlebnis und Armin tüftelt noch an einer handzahmen Version der Rezeptur.
Ich bekomme auch viel von anderen Manufakturen zum Kosten. Auf unsere Haselnusscreme bin ich sehr stolz, wie die gelungen ist. Es hat aber zwei Jahre gedauert, bis ich verstanden habe, wie man sie machen muss. Es ist eine 60% Gianduja-Creme, die ist temperiert, weil wir ja echte Schokolade dafür verwenden. Dadurch setzt sich das Fett der Nüsse nicht ab und die Creme-Konsistenz bleibt stabil. Wir kaufen jedes Jahr die frische Ernte von unserer Bezugsquelle in Alta Langa. Bei unserem alten kupfernen Dragierkessel aus einer Apotheke, einem Oldtimer, da bekommen die anderen Schokoladenmacher:innen feuchte Augen, wenn sie hier hereinkommen. Als Milchschokoladenalternative haben wir unsere Cashew Mylch-Tafel entwickelt, für die Zucker geröstet wird und cremige Cashewnüsse zum Einsatz kommen. So imitiert man die Cremigkeit von Milch. Das gefällt mir, an solchen Herausforderungen zu tüfteln.
Über die Bedeutung von Preisauszeichnungen
Bei den Preisen bin ich zweigespalten, ich sehe die Vorteile und gerade die internationale Kund:innen legen großen Wert darauf. Wir haben eine super Qualität, wir wissen was wir schaffen.
Über die Desert Island-Tafeln
Eine klassische Belize-Tafel. Die ist auch so vielseitig, die kann man mit Süßwein, Ziegenkäse oder Rum ganz vielseitig kombinieren. So schön die Ausflüge in andere Geschmackswelten sind, so kommt man als Schokoladenliebhaber doch immer wieder zurück auf die puren Schokoladentafeln. Das ist es für mich, pure, dunkle Schokolade. Einzelne Schokoladen von Manufakturen, die sind so eingängig, dass man sie nicht mehr vergisst, wie die Amano Dos Rios, die ist der absolute Hammer, oder auch die Milliani von Manoa. Und alles was SOMA macht!
Die Manufaktur habe ich verlassen mit sehr viel neuem Wissen, einigen Schokoladenköstlichkeiten und einer weiteren positiven Begegnung mit einem Menschen, der sich für die Verbesserungen in der Schokoladenwelt einsetzt. Danke für deine Zeit, Armin!
Nun aber noch zurück zu den Schokobananen! Während des Rundgangs drückt mir Armin ein weiteres Experiment in die Hand: getrocknete Babybananen in dunkle Ecuador-Schokolade getunkt. Man stelle sich eben vor, diese Süßigkeit, aber mit ordentlichen Zutaten, nämlich echten Bananen und vorzüglicher Schokolade, und mit überzeugendem Geschmack, nämlich fruchtig-süßer Banane und charaktervoller Schokolade.
Und für alle, die jetzt ordentlich einen appetitlichen Speichelfluss bekommen haben sei verraten — ich spreche aus Erfahrung, weil meine Packung war sorgfältig genüsslich aber trotzdem zu schnell aufgegessen — dass man das sehr einfach nachmachen kann. Getrocknete Bananen (damit sind keine frittierten Banenenchips gemeint) gibt im gut sortierten Bio-Supermarkt oder online (ich hab folgendes Produkt bestellt) und die gute Schokolade findet ihr in eurem Schokoladenfach oder der Bezugsquelle eures Vertrauens (im September auch wieder an dieser Stelle). Dann braucht man nur mehr die Schokolade über dem Wasserbad schmelzen, die Bananenspalten eintunken und dann ein bisschen Geduld haben, bis die Schokolade sich wieder zu fester Form gesetzt hat.
Danke, Armin! Unwissentlich hast du da ein Stück meiner Kindheit für mich übersetzt und wiederbelebt.
(Armin hat übrigens ein fantastisches Rezept für Seidentofu-Schokoladenmousse im Repertoire, von dem er Portionen beim Eurobean-Festival letztes Jahr servierte — bei Anfrage verrät er es ja vielleicht!)