Nachbesprechung: Eurobean Chocolate Festival 2023
In Europa gibt es nicht außergewöhnlich viele Schokoladenfestivals und definitiv keines mit einer so zugespitzten Austeller:innenschaft wie das Eurobean Chocolate Festival auf der Rochsburg im idyllischen Sachsen. Dieses Jahr war ich zum zweiten Mal als Besucherin dort und hab einiges an Eindrücken — und Tafeln — im Gepäck.
Zum sechsten Mal fand das Eurobean-Festival statt und es widmet sich ausschließlich Bean-to-bar-Manufakturen. Dieses Mal waren 20 Aussteller:innen zugegen, hauptsächlich aus Europa, aber auch aus Vietnam und den USA. Die Gastgebenden selber sind Choco del Sol, eine Schokoladenmanufaktur, die auf der Rochsburg beheimatet ist (zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die Tafeln von Choco del Sol auch beim zweiten Mal nun nicht gekostet habe, da in deren Verkostungsraum ein derartiger Trubel herrschte — und zugegeben ein recht unangenehm beißend-saurer Geruch in der Luft lag — dass ich keine Ruhe dort fand; und aufgrund der vielen, vielen, vielen Menschen wollte ich mich auch bei den „Burgleuten“ Patrick und Peggy Walter nicht aufdrängen und sie mit Fragen zuschwätzen). Mehr noch als letztes Jahr wurde Augenmerk darauf gelegt, dass für ausreichend Übersetzungen gesorgt ist und weil der Großteil der Aussteller:innen nicht Deutsch-sprechend ist, stand je mindestens ein Volunteer als vermittelnde Hilfe zur Seite. Interessant finde ich weiterhin, dass die Besucher:innen nicht so ganz mit meinem Bild der „eigentlichen“ Zielgruppe für einen Bean-to-bar-Knotenpunkt übereinstimmen, weil es überwiegend ältere Menschen und Familien mit Kindern sind. Trotzdem haben sich viele der Ausstellenden sehr zufrieden gezeigt, und tatsächlich wird auch gekauft (denn am Nachmittag des ersten Tages war schon einiges ausverkauft und das lag bestimmt nicht an knapp bemessenen Mengen). Also sind die Gäste nicht nur für die vor-Ort-Völlerei da, sondern kaufen auch ein, was sehr erfreulich ist. Das Durchhaltevermögen der Schokoladenmacher:innen ist jedenfalls beeindruckend, es herrscht ein dichtes und lautes Treiben.
Letztes Jahr stand für mich ja noch unter dem Stern des Anbiederns und ich war da noch recht schüchtern, als was ich mich vorstellen soll. Und dieses Jahr war die Aufregung nur positiver Natur, weil ich durch meine Aktivitäten des letzten Jahres was zu erzählen habe und viele der liebenswürdigen Menschen nun besser kenne. So war es also ein dicht gedrängter Tag voller Gespräche und Vorträge mit und von Gleichgesinnten in der Schokoladenbranche.
Was mir wieder wirklich augenscheinlich wurde, ist die grandiose, familiäre Atmosphäre innerhalb dieser kleinen Bubble. Die Schokoladenmacher:innen tauschen sich untereinander aus und nehmen sich nicht als direkte Konkurrenz wahr, sondern als Mitstreitende für die gemeinsamen Absichten, also hochwertige, gerecht hergestellte und geschmacklich überzeugende Schokolade bekannt zu machen. Ich hatte auch das Gefühl, dass es den meisten wirtschaftlich recht gut geht, und es eine große Nachfrage vom US- und asiatischen Märkten gibt. Ryan, der mit Parliament Chocolate vertreten war, berichtete von seinem sehr erfolg- und ertragreichen Kakaoanbau in Thailand mit thai.cacao, die eine stolze Ernte von 30 Tonnen mittlerweile verzeichnen und über Bohnendistributionen an Bean-to-bar-Manufakturen absetzen.
Die Verkostungen waren leider alle derart nachgefragt, dass ich es nirgendwo reingeschafft hab, Wein & Schokolade und Chocolate of the Year Award hätten mich gereizt. Dem Vortrag von Spencer von Cocoa Runners hab ich selbstverständlich beigewohnt — nachdem ich eine halbe Stunde zuvor einen klitzekleinen Stolz verspürt hab, als er mich am Stand von Belvie wiedererkannt, ich wäre doch die, „die Cocoa Runners in Deutschland machen will“ — und bin jedes Mal wieder beeindruckt, was für ein unendliches Wissen er umfasst und es auf sehr zugängliche, humorvolle und spielerische Art versucht zu vermitteln. Amüsiert habe ich mich beim Vortrag schelmisch darüber, dass ihm noch weniger Zeit blieb, seine Punkte zu machen, weil dazwischen die Übersetzerin seine Inhalte auch noch auf Deutsch wiedergeben musste. Seinen Satz Only humans understand craft chocolate (in Bezug darauf, dass es wahrscheinlich nur wir Menschen sind, die Aromen und nicht nur Geschmäcker wahrnehmen können) überlege ich mir auf ein T-Shirt drucken zu lassen. Und zum Nachmachen für zuhause noch eine spannende Übung, die ich bisher auch noch nicht kannte: ein Stück Schokolade in den Mund legen und während dem Verkosten einmal an einer glatten Oberfläche wie Papier und einmal einer rauen Oberfläche (zum Beispiel an der Jeans) mit den Fingern reiben. Dabei sollte sich die Aromenwahrnehmung deutlich verändern. Am zweiten Tag hätte es noch weitere, sehr interessante Vorträge gegeben, aber ich war nur am Samstag vor Ort.
Und jetzt sag ich euch was Arges: ich hab mich beim Verkosten wirklich, wahrhaftig den inclusion bars (also den Tafeln, in denen zusätzliche Aromazutaten eingearbeitet sind) gewidmet. Weil, und das wird euch freuen, ich da sehr viel Nachfrage vernommen habe, und mein kuratiertes Sortiment sich dieser ein bisschen anpassen wird. Es gab also auf meinem Verkostungsmenü eine Tafel die sich Smoked Sauna nennt und geräuchertes Holz in sich schließt, eine Schafsmilchschokolade, eine Tafel nach Art eines Irish Old Fashioned, es gab Schokolade mit Pasilla-Chilli, mit Durian-Frucht, mit Pipa-Wein, mit Stechginster-Blume, mit getoastetem Brot. Die Enttäuschung für diejenigen, denen sich Wasser im Mund sammelt: nicht alle davon wird’s zu bestellen geben, aber manche.
Die kuratierten Tafelglanzlichter:
Kürzi Kakao — Guatemala Finca Ana Maria 68% (Gianduja-Aromen, die aber nur von den verwendeten Bohnen kommen, keine Nuss weit und breit)
Belvie — Hāo Mōc 80% (Auftritt: herber-floraler vietnamesischer Kakao)
Karuna Chocolate — Orient tobacco leaves 70% (Belize-Kakao mit floral-kräuteriger-hollunderiger Note, gar nicht rauchig, wie man vermuten würde)
Nearynógs Chocolate — Irish Old Fashioned (haben sie mich doch tatsächlich von der Kombination von Schokolade mit herb-bitteren Orangennoten überzeugt)
Lurka — Sal de Añana & Chile Pasilla Mixe (saftig-dichte Kakao-Chilli-Kombination, die fabelhaft funktioniert)
Ich fühl mich angekommen in meinem Bean-to-bar-Grüppchen. Ich nehme vom Besuch schöne Erinnerungen an ein Wiedersehen und Kennenlernen mit den Menschen mit, über die ich so viel lese, schreibe und rede, und eine kräftige Portion Inspiration für die kommende Tafelpost- und Tafelrunden-Saison mit.